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Phonem des Jahres 2014

Jede Sprache baut auf einem Prinzip auf, das man als „zweifache Gliederung“ oder „doppelte Artikulation“ bezeichnet. Damit ist gemeint, dass wir beim Sprechen aus Einzellauten, die für sich genommen keine Bedeutung haben, größere Einheiten aufbauen, die eine Bedeutung haben. So haben weder ein m noch ein a in Isolation gesprochen eine Bedeutung. Kombinieren wir diese Laute jedoch zu [mama], ergibt sich ein Wort, das wir verstehen können.

In der Sprachwissenschaft und in der Phonetik fasst man solche Laute zu Gruppen zusammen, um von Einzeläußerungen abstrahieren zu können. Man spricht von Phonemen. So gibt es prinzipiell unendlich viele verschiedene Möglichkeiten, ein a zu artikulieren, deshalb fasst man alle diese as zur Gruppe /a/ zusammen. Wie viele solcher Phoneme es in einer Sprache gibt, ist sehr unterschiedlich. Manche Sprachen, wie das Rotokas, das auf Neuginea gesprochen wird, haben nur 11 solcher Phoneme. Das Deutsche etwa 40. Bis zu 141 verschiedener Phoneme kann es in einer Sprache geben, wie etwa im !Xũ, einer Sprache, die unter anderem in Namibia gesprochen wird. Immer muss es jedoch Vokale und Konsonanten geben, weswegen es bei der Wahl zum Phonem des Jahres jeweils diese beiden Kategorien gibt.

Die Phoneme des letzten Jahres waren in der Kategorie Vokal das /yː/, wie es im Deutschen oder im australischen Englisch vorkommt, und in der Kategorie Konsonant der geminierte glottale Verschlusslaut /ʔː/, der z.B. im Maltesischen Verwendung findet. Anhören kann man sich die Phoneme der Sprachen der Welt hier.

Der Vokal und der Konsonant des Jahres werden jedes Jahr durch Studierende, Mitarbeiter und Assoziierte des Instituts für Phonetik und Sprachverarbeitung der Universität München gewählt. Nominierungsberechtigt sind Studierende und Mitarbeiter sprachwissenschaftlicher und verwandter Fächer weltweit. Vorgeschlagen werden darf jeweils ein Konsonant und ein Vokal. Dazu muss jeweils mindestens eine Sprache genannt werden, in welcher der nominierte Vokal oder Konsonant Phonemstatus hat sowie eine Begründung geliefert werden, warum man das Phonem vorschlägt.

Vokal des Jahres 2014 ist das /ɵ/, das einem griechischen Theta sehr ähnlich sieht und z.B. im Kantonesischen vorkommt. Die Jury entschied sich vor allem deswegen für diesen Vokal, da in der Begründung angegeben wurde, dass man so seine Solidarität mit den Studierendenprotesten in Hongkong zum Ausdruck bringen könne.

Konsonant des Jahres 2014 ist das /N/, also der uvulare stimmhafte Nasal, der z.B. Teil des japanischen Sprachsystems ist. Die Jury überzeugte hier die humoristische Begründung, dass jeder diesen Laut kennt, da er international häufig zum Ausdruck des Genusses oder bei Grunzgeräuschen vorkommt.