Das Nibelungenlied

Fabian Bross

1 Einführendes

Beim Nibelungenlied handelt es sich um einen Heldenepos, der in 39 kleinere Abschnitte (Aventiuren) eingeteilt ist. Das mittelhochdeutsche Werk entstand vermutlich um 1200 herum, die Handlung spielt zur Zeit der Völkerwanderung, wahrscheinlich etwa im 5. Jahrhundert. Der Name stammt von einer der Haupthandschriften (*C), die mit daz ist der Nibelunge liet endet. Eine andere Fassung spricht nicht vom Nibelungenlied, sondern von der nibelunge NOT. Der Begriff liet ist nicht mit unserem heutigen Lied zu verwechseln, sondern will vielmehr zum Ausdruck bringen, dass das Werk in Strophen geschrieben oder vorgetragen wurde. Fast allen überlieferten Handschriften angehängt ist die Nibelungenklage, in der die Handlung des Epos kommentiert wird und über den weiteren Lebensweg einiger Protagonisten berichtet wird. Der Großteil der Textzeugen stammt aus dem heutigen Süddeutschland. Ehrismann (2002:41) kommt jedoch zu dem Schluss, dies sage über „die Heimat des Dichters [...] sicherlich nichts aus, eher etwas über ein [...] besonderes Interesse der dortigen Bevölkerung an der Heldensage.“ 

2 Kommentierter Inhalt der Aventiuren

1. Aventiure

Das Nibelungenlied beginnt mit den berühmten Worten:

Uns ist in alten mæren wunders vil geseit
von Helden lobebæren, von grôzer arebeit,
von freuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen,
von küener recken strîten muget ir nu wunder hœren sagen.

Schon hier wird deutlich, dass es schwer ist, von einem Urheber oder Dichter des Nibelungenliedes zu sprechen. Im Allgemeinen spricht man von einem Epiker. Deutlich wird, dass sich die Geschichte, die erzählt wird, nicht erdacht wurde, sondern, dass es sich um alte Überlieferungen handelt (alten mæren). Ehrismann (2002:62) bemerkt zu den Zeilen von Helden lobebæren, von grôzer arebeit, // von freuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen, dass das gesamte Werk in eine Freude-Leid-Formel eingefasst sei und führt als weiteren Beleg an, dass es am Ende des Liedes heißt: als ie diu liebe leide z’aller jungeste gît, also ‚wie stets die Freude am Ende Leid bringt.‘
Es folgt eine Vorstellung des burgundischen Königshofes in Worms. Etwas ungewöhnlich steht zu Anfang der Vorstellung der Personen nicht die ranghöchste, sondern sie beginnt mit einer der zentralen Figuren des Stücks, nämlich mit der schönen und wohlerzogenen Königsschwester Kriemhild. Ihr Brunder, Gunther, herrscht über das Reich, zwei weitere Brüder, Gernot und Giselher, stehen ihm beratend zur Seite. Sie alle sind die Kinder des verstorbenen Dankrat und seiner noch lebenden Frau Ute. Weitere Personen, die eingeführt werden sind Hagen von Tronje, eine Art Vorstand der Kronvasallen, verwandt mit der Königsfamilie, Ortwin von Metz, der Truchseß, die Marktgrafen Gere und Eckewart, der Fidler Volker, der Mundschenk Sindolt, der Kämmerer Hunolt und der Küchenmeister Rumolt. Nach der Vorstellung der Charaktere des Hofes folgt die Schildeung eines Traumes Kriemhilds, in dem zwei Adler einen von ihr aufgezogenen Falken angreifen (Ehrismann 2002:67 betont, dass es sich beim Geliebten als Falken um ein damals bekanntes Motiv des Lyrik handelte). Der Traum wird von Kriemhilds Mutter Ute gedeutet. Sie sieht in dem Falken Kriemhilds zukünftigen Mann, woraufhin die Königsschwester gelobt nie einen Mann zu lieben.

2. Aventiure

Die 2. Aventiure berichtet von Sigfried, der am Niederrhein in Xanten bei seinen Eltern König Siegmund und Königin Sieglinde aufwächst. Das Reich, über das Siegmund herrscht, wird als Niederlande bezeichnet, das jedoch nicht den heutigen Niederlanden entspricht. Dargelegt wird u.a. die Schwertleite des starken und mit höfischen Qualitäten ausgestatteten jungen Siegfrieds. Dennoch verzichtet er auf die Krone der Eltern, verpflichtet sich jedoch das Land zu beschützen.

3. Aventiure

Als er von der Schönheit Kriemhilds hört und davon, dass sie alle Bewerber zurückweist, macht er sich – mit zwölf Mitstreitern – auf nach Worms, um um ihre Hand anzuhalten. Als am Hof bekannt wird, dass ein fremder Ritter an den Hof kommt, schart Gunther seine Vertrauten um sich, um sich beraten zu lassen. Ehrismann (2002:71) führt aus:

Gunther beruft ein colloquium familiare [...] ein, ein consilium der vriunde, um zu beraten, wie dem Fremden zu begegnen sei. Ein König steht in der Beratungspflicht, und er folgt gewöhnlich dem Rat. Dies liegt nicht nur im Wesen des Feudalismus, sondern ist auch ein beliebtes Prinzip epischer Gestaltung und keinesfalls ein Zeichen herrscherlicher Inkompetenz. [Hervorhebungen im Original]

Hagen ist der einzige, dem klar ist, dass es sich um Siegfried handelt und er beginnt den anderen die sagenhaften Geschichten von Siegmunds Sohn zu berichten. Dass er die in Streit geratenen Söhne des verstorbenen Königs Nibelung erschlagen habe und somit über dessen Schatz (Hort) verfüge, dass er mit dem Schwert Balmung gegen Riesen und alleine gegen 700 Männer gekämpft habe, dass er einen Drachen besiegt habe und durch dessen Blut unverwundbar sei und dass er den Vasallen des Nibelung, den Zwerg Alberich, überwunden und dessen Tarnkappe in seinen Besitz gebracht habe. Hagen rät Gunther, den Gast freundlich zu begrüßen, ein Rat, dem er nachkommt. Siegfried verneigt sich daraufhin zwar kurz, verschweigt aber seine Werbungsabsichten hinsichtlich Kriemhild und sagt Gunther stattdessen die Fehde an. Nach kurzer Verwunderung und Auseinandersetzung beruhigt sich die Lage wieder und Siegfried bleibt – nicht unbeobachtet von Kriemhild – als Gast ein Jahr in Worms.

4. Aventiure

Als der König von Sachsen Liudeger und der König von Dänemark Liudegast den Burgungen den Krieg erklären, bietet Siegfried (der mittlerweile am Hof gern gesehen ist) seine Hilfe an, woraufhin Gunther ihm verspricht, dass er einen Wunsch freihabe, wenn sein Vorhaben gelänge. Während der König am Hof bleibt, kämpft Siegfried mit Liudeger und Liudegast, nimmt sie gefangen und bringt sie als Geiseln zu Gunther. Als Lohn wünscht sich Siegfried, Kriemhild sehen zu dürfen, die sich von seinen Heldentaten im Krieg erzählen lässt.

5. Aventiure

Bei der Siegesfeier versichert sich Siegfried, dass Kriemhild seine Zuneigung erwidert, eine formelle Werbung bleibt jedoch immer noch aus.

6. Aventiure

Die 6. Aventiure berichtet zunächst von Brünhild, einer starken und schönen Königin, die in Isenstein (auf Island) lebt und jeden, der um sie werben will zu einem Dreikampf, bestehend aus Speerwurf, Weitsprung und Steinwurf, auffordert. Eine Niederlage des Werbers hat dessen Tod zur Folge. Als Gunther seine Werbungsabsicht kund tut, spricht sich Siegrfried zunächst noch gegen den Plan aus, als ihm aber Kriemhilds Hand zugesichert wird, willigt er ein Gunther zu helfen. So machen sich Gunther, Siegfried, Hagen und Dankwart, samt der die Kraft von 12 Männern verleihenden Tarnkappe mit einem Schiff auf nach Isenstein.

7. Aventiure

In Isenstein angekommen, hält Brünhild zunächst Siegfried für den Werber, doch dann wird deutlich, dass Siegfried als ‚Eigenmann‘ (mhd. man) Gunthers auftritt und letzterer der eigentliche Werber ist. Als es zum Wettkampf kommt, verbirgt sich Siegfried unter der Tarnkappe und tritt unsichtbar anstelle Gunthers, der nur Bewegungen ausführt. So muss sich Brünhind Gunther unterwerfen und ihm die Herrschaft über ihr Land überlassen, ihm, der sie scheinbar besiegt hat. Auf ihre Frage hin, wo Siegfried beim Kampfgeschehen gewesen sei, antwortet dieser, dass er sich beim Schiff aufgehalten habe. Als die Abreise bevorsteht, sammelt Brühnhild eine Truppe zusammen, die sie begleiten soll. Da Hagen fürchtet, dass diese Übermacht sie angreifen könnte, macht sich Siegfried auf den Weg ins Nibelungenland (wo sich auch der Hort befindet), um 1000 Männer zu rekrutieren.

8. Aventiure

Unerkannt kämpft er dort gegen Alberich, der ihm als Kämmerer dient. Er führt die 1000 Männer nach Isenstein, wo Gunther sie als die seinen ausgibt.

9. Aventiure

Um die Reisenden in Worms zu melden, soll ein Bote vorausgeschickt werden. Hagen verweigert den Botendienst und schlägt Siegfried vor, der dies gerne annimmt und sich darauf freut, Kriemhild zu sehen.

10. Aventiure

In Worms angekommen bekommt Siegfried – wie versprochen – Kriemhild zur Frau, was auch sie freut. So wird eine Doppelhochzeit vollzogen. Als Brünhild jedoch bemerkt, dass Siegfried nicht nur an der gleichen Tafel sitzt, sondern das er – der ja ihrer Ansicht nach von niedrigerem Stand ist – die höhergestellte Kriemhild zur Frau bekommt, fängt sie an zu weinen. Die Tränen kommen ihr, allerdings, wie Ehrismann (2002:87) ausführt

nicht auf Grund privater Emotionen, etwa Mitleid [...] oder Eifersucht [...], sondern weil sie, rechts- und machtbewusst, die Verbindung des Königshauses mit einem man als Schande empfinden muss. Die Schwester eines Königs träte mit einer solchen Ehe in den minderen Stand ihres Gatten [...]. [Hervorhebungen im Original]

Als sie Gunther darauf anspricht, hat er nur schwache Ausreden parat, die Bründhild nicht überzeugen. Sie verweigert ihm daraufhin die Hochzeitsnacht (mit der die Ehe endgültig beschlossen werden sollte). Als Gunther den Beischlaf vollziehen will, wird er von Brünhild an einen Nagel an die Wand gehängt, wo er bis zum nächsten Morgen hängen bleibt. In der darauffolgenden Nacht tritt Siegfried wiederum mit Hilfe der Tarnkappe als Helfer auf und ermöglicht Gunther so mit Brünhild zu schlafen. Dabei nimmt Siegfried Brünhild einen Ring und ihren Gürtel ab, die er später in Xanten – ohne Angabe von Gründen – Kriemhild schenkt. Durch diese Akte verliert Brünhild ihre übermenschlichen Kräfte.

11. Aventiure

Nach den Hochzeitsfeierlichkeiten reisen Siegfried und Kriemhild nach Xanten, wo Siegfried nun die Herrschaft übernimmt. Einige Gefolgsleute Kriemhilds – die auf ihr Erbe in Worms verzichtet – begleiten sie, darunter auch Eckewart. Nachdem sie neun Jahre dort leben, gebiert Kriemhild einen Sohn, der den Namen Gunther bekommt. Zeitgleich bekommt auch Brünhild in Worms ein Kind, das den Namen Siegfried erhält. Königin Sieglinde stirbt mittlerweile.

12. Aventiure

Nachdem nunmehr 12 Jahre vergangen sind, lässt Brünhild der Gedanke an Siegfrieds niedrigeren Status nicht los. Sie wundert sich, warum Siegfried keine Dienste für sie ableistet. Unter dem Vorwand, ihre Verwandten schon lange nicht mehr gesehen zu haben, überredet sie Gunther Kriemhild und Siegfried nach Worms einzuladen. So wird – nach kurzem Zögern Gunthers – Gere als Bote losgeschickt, der mit der Botschaft, dass Kriemhild, Sigfried und Siegmund nach Worms kommen werden, zurück kehrt.

13. Aventiure

So reisen Siegfried, Siegmund und Kriemhild nach Worms, der Sohn wird zurückgelassen. Brünhild macht sich derweil Gedanken, warum Siegfried keinen Zins bezahlen muss.

14. Aventiure

Bei einem Turnier beginnen sich die beiden Königinnen zu streiten. Kriemhild lobt die Vorzüge Siegfrieds, Brünhild daraufhin die Gunthers und nennt Siegfried einen Eigenmann Gunthers. Als Brünhild Kriemhild als unfrei und als Dienerin bezeichnet, platz Kriemhild der Kragen. Sie nennt Brünhild eine Kebse (Konkubine), da sie von Siegfried den Ring und den Gürtel bekommen hat, geht sie davon aus, dass Siegfried als erster mit Bründhild geschlafen habe, was sie auch ausspricht. Ehrismann (2002:97) erklärt dazu, dass

für den Adel des Mittelalters außereheliche Beziehungen der Männer, wenn nicht an der Tagesordnung, so doch üblich waren [...]. Sie schmälerten die Ehre der Frau nicht und galten als ein Beweis von Männlichkeit.

Um deutlich ihren Rang zu demonstrieren, erklärt Kriemhild, dass sie vor Brünhild das Münster zur Messe betreten wolle („Visualisierung und Publizität sind die beiden Komponenten, die in dieser Gesellschaft Beweiskraft besitzen.“,  schreibt Ehrismann 2002:95). Und tatsächlich geht Kriemhild mit ihrem Gefolge vor Brünhild zur Messe, anschließend präsentiert sie ihr auch Gürtel und Ring, woraufhin Brünhild sich unter Tränen an Gunther wendet. Als Gunther von den Anschuldigungen erfährt, lässt er Siegfried kommen und trägt sie ihm vor. Mit einem Eid (den Gunther ausspricht) muss Siegfried schwören, dass er nicht mit Brünhild geschlafen hat (was ja auch der Wahrheit entspricht) und verspricht Kriemhild zu bestrafen. Brünhild schwört Rache. Bei einer Besprechung einigt man sich darauf, dass Siegfried sterben muss. Befürworter dieser Tat sind Hagen von Tronje und Ortwin von Metz, Gunther und Giselher lehnen sie ab, Gernot hält sich aus der Sache raus und schweigt.

15. Aventiure

Prinzipiell weiß Hagen, dass Siegfried eine Schwachstelle hat, ihm ist nur nicht bekannt wo. Deshalb verkünden falsche Boten, dass die Dänen und Sachsen wieder zum Krieg rüsteten. Hagen fragt die ängstliche Kriemhild, wie er Siegfried schützen könne. Sie erzählt ihm von dem Lindenblatt, dass es verhindert hatte, dass ihn das Drachenblut zwischen den Schulterblättern verwundbar macht und markiert – Hagen vertrauend – die Stelle mit einem Kreuz auf seinem Gewand. Es wird eine Jagd angesetzt (an der Gernot und Giselher nicht teilnehmen), auf der Siegfried ermordet werden soll.

16. Aventiure

Kriemhild wird daraufhin wieder von einem vorhersagenden Traum geplagt: Zwei Eber jagen Siegfried, der getötet und dann von zwei Bergen begraben wird. Siegfried schlägt den Traum in den Wind. Er demonstriert auf der Jagd seine körperliche Überlegenheit. Da Hagen die Getränke vorsätzlich an einen falschen Ort senden lässt, schlägt er dem dürstenden Siegfried vor einen Wettlauf zu einer nahe gelegenen Quelle zu veranstalten. Dort angekommen rammt Hagen dem über der Quelle knienden Siegfried einen Speer durch den Rücken ins Herz.

17. Aventiure

Die Leiche wird vor Kriemhilds Kemenate abgelegt, wo sie ihn am nächsten Morgen findet. Sie und Siegfrieds Vater Siegmund trauern um ihn. Kriemhild schwört daraufhin Rache (zu der Familienangehörige damals verpflichtet waren). Bei einer Bahrprobe (die Wunden eines Ermordeten beginnen wieder zu bluten, wenn der Mörder in der Nähe ist, Visualisierung!) überführt man Hagen als Mörder, Gunther leugnet dies jedoch.

18. Aventiure

Entgegen dem ausdrücklichen Wunsch Siegmunds – der nun mit Kriemhilds Kind nach Xanten zurückkehrt – lehnt Kriemhild alle Herrschaftsansprüche über die Niederlande ab und unterstellt sich so wieder Gunthers Vormundschaft, da Giselher, Gernot und Ute darum bitten.

19. Aventiure

Drei Jahre lebt Kriemhild, immer noch auf Rache sinnend, zurückgezogen in Worms. Vermittelt durch Hagen schaffen es Giselher und Gernot, dass sich Gunther und Kriemhild wieder versöhnen, wobei Kriemhild schließlich allen außer Hagen vergibt. Der Nibelungenhort ist, wie sich herausstellt, Kriemhilds Witwenversorgung. Aus Angst, was Kriemhild mit dem Reichtum anstellen könnte, versenkt Hagen den Hort im Rhein. Es vergehen, gerechnet von Siegfrieds Tod an, 12 Jahre.

20. Aventiure

Die 20. Aventiure kann als eine Art zweiter Teil des Nibelungenliedes angesehen werden. Beschrieben wird König Etzel (Attila), der König der Hunnen, dessen Frau Helche verstorben ist. Seine Freunde raten ihm, sich wieder zu vermählen und schlagen ihm – allen voran sein Lehensmann Rüdiger von Bechelaren –, trotz des Glaubensunterschiedes Kriemhild vor. So kommt Rüdiger als Bote nach Worms, wo die Nachricht von Etzels Antrag mit gemischten Gefühlen aufgenommen wird: Kriemhilds Brüder befürworten eine Heirat, Hagen lehnt sie aus Angst vor der dadurch enstehenden Macht Kriemhilds ab und auch sie selbst weißt eine Heirat mit einem Heiden zunächst von sich. Rüdiger kann sie jedoch überzeugen, indem er ihr verspricht, ihr immer beizustehen.

21. Aventiure

Die 21. Aventiure beschreibt ausführlich die Reise zu Etzel.

22. Aventiure

Etzel und Kriemhild treffen an Pfingsten in Wien aufeinander, wo auch die Hochzeit stattfindet. Nach den 17 Tage dauernden Feierlichkeiten reisen sie per Schiff weiter ins Hunnenreich.

23. Aventiure

Nachdem Kriemhild sieben Jahre bei Etzel lebt, gebiert sie ihm einen Sohn, der christlich getauft wird, nach 12 Jahren denkt sie immer noch an Rache. Sie beschließt ihre Verwandten einzuladen und bittet Etzel des nächstens darum. Gutgläubig willigt er ein. Die Boten Swemmel und Wärbel werden nach Worms geschickt und Kriemhild weist sie an Hagen miteinzuladen.

24. Aventiure

In Worms ist man bereit die Einladung anzunehmen, nur Hagen und Küchenmeister Rumold sträuben sich. Hagen ändert jedoch – um nicht als feige zu gelten – seine Meinung, erreicht aber, dass ein Heer sie begleitet und man bewaffnet reist.

25. Aventiure

Vom Zeitpunkt der Reise an wird die Bezeichnung Nibelungen für die Burgunden gebraucht. Hagen (nicht Gunther!) reitet dem Heer voraus, bis man an die Donau gelangt, ein symbolischer Übergang, ohne Möglichkeit auf Rückkehr. Da der Fluß Hochwasser führt, muss man nach einem Weg suchen, ihn zu überqueren:

Auf der Suche nach einem Fährmann für das 13.000 (!) Mann starke Heer trifft Hagen zwei wîsiu wîp [...] oder merwîp [...], Hadeburg und Sieglinde, die in einem schœnen brunnen (‚einer schönen Quelle ‘[...]) baden und wie Vögel auf dem Wasser schweben (Ehrismann 2002:116).

Hagen stiehlt ihnen ihre Kleider, woraufhin Hadeburg ihm eine gute Zukunft voraussagt. Sie bekommt ihre Kleider zurück. Sieglinde weihsagt jedoch den Tod aller, nur der Kaplan werde überleben. Sie raten ihm, stromaufwärts nach einem Fährmann zu suchen, den Hagen auch findet und tötet. Schließlich wird mit dessen Floß das Heer übergesetzt. Schulze (2005:818) merkt an: „Der Epiker gestaltet hier die Paradoxie, daß der einzige, der den unheivollen Ausgang der Reise kennt, als Fährmann in den Tod fungiert.“ Um die Vorhersage Sieglindes zu testen versucht Hagen den Kaplan zu töten, indem er ihn ins Wasser stößt. Dieser kann sich allerdings mit Hilfe Gottes ans Ufer zurückretten. Sein Leben ist gerettet und er nimmt als einziger nicht an der Reise teil.

26. Aventiure

Nachdem Hagen durch die Rettung des Kaplans sicher ist, dass sie alle dem Tod geweiht sind, erzählt er dies den anderen. Auf dem Weg begegnen sie den Marktgrafen Gelfrat und Else, die für den Tod ihres Fährmanns Rache suchen. Es kommt zu einem harten Kampf, in welchem Dankwart Hagen das Leben rettet und Gelfrat schließlich getötet wird. Sie treffen auf den schlafenden Eckewart (der Kriemhild gefolgt war). Ehrismann (2002:117) analysiert:

Hagen nimmt ihm das Schwert und gibt es ihm, als er über Siegfrieds Tod klagend erwacht, mit sechs Goldringen wieder zurück. [...] Zweierlei scheint plausibel: (1) Der schlafende Wächter steht für das sorglose Hunnenreich; (2) der Raub des Schwertes allegorisiert den Raub der alten, auf Kriemhild bezogenen Identität, seine Rückgabe die Verleihung einer neuen, jetzt nibelungischen. Folgerichtig warnt Eckewart die Burgunden vor dem Hass der Königin und begleitet sie nach Bêchelaren.

(1) scheint Plausibel, bedenkt man, wie sich Etzel später verhält, (2), betrachtet man, wie man sich der vriundschaft mit Rüdiger in der nächsten Aventiure versichert.

27. Aventiure

Man kehrt in Bechelaren bei Rüdiger ein, wo dessen Tochter – in der Klage erfahren wir ihren Namen: Dietlind – mit Giselher verheiratet wird. Ein Zug, den Rüdiger später bereuen wird. Er ist ahnungslos, dass es zu einem Konflik zwischen den Nibelungen (Burgunden) und Kriemhild kommen wird. Durch die Hochzeit geht er eine Verpflichtung gegenüber den Burgunden ein, obwohl er eigentlich auf Kriemhilds Seite steht. Bekräftigt wird diese Verbindung durch verschiedene Geschenke. So schenkt Rüdiger Gernot sein Schwert, mit dem er später getötet werden wird, Hagen bekommt einen Schild, der ehemals Rüdigers Vater gehört hatte und Gunther bekommt eine Rüstung als Geschenk. Rüdiger begleitet von nun an die Nibelungen auf ihrer Reise.

28. Aventiure

Bei der Ankunft an Etzels Hof wird Kriemhilds Hass auf Hagen offen zur Schau getragen. Weder Rüdiger noch Etzel ahnen etwas von Kriemhilds Rachegedanken. Dietrich von Bern muss zugeben, dass er die Burgunden vor Kriemhild gewarnt hat, als diese nicht bereit sind ihre Waffen abzulegen (Hagen reist zusätzlich nicht nur in Waffen, er führt obendrein Siegfrieds Schwert Balmung mit sich). Der Leser erfährt weiterhin, dass Hagen als Kind als Geisel an Etzels Hof war. Schulze (2005:820) folgert: „Auf diese Weise wird Kriemhilds Gegenspieler besonders exponiert, bevor der Kampf beginnt.“

29. Aventiure

Hagen und Volker werden als als zusammengehörende Kämpfer dargestellt. Gemeinsam verweigern sie Kriemhild den Gruß. Die 29. Aventiure beschreibt weitere Konfrontationen zwischen Kriemhild und Hagen. Letzterer zeigt demonstrativ, dass er Balmung mit sich führt. Kriemhilds Vorwurf, er habe Siegfried ermordet weist er nicht von sich. Daraufhin stachelt Kriemhild hunnische Krieger zum Mord an Hagen an, die dies jedoch aus Furcht verweigern. Der ahnungslose Etzel begrüßt die Burgunden herzlich.

30. Aventiure

Als die Nacht hereinbricht, halten Hagen und Volker Wache von der Schlafhalle der Burgunden. Volker spielt beruhigende Musik auf seiner Fidel. Von Kriemhild mit Hagens Mord beauftragte Kämpfer werden von Hagen und Volker abgeschreckt.

31. Aventiure

Am nächsten Morgen fordert Hagen die Burgunden auf in die Messe zu gehen und ihre Sünden zu beichten. Zugleich rät er aber auch in der Kirche Waffen zu tragen. Er selbst geht jedoch nicht zur Messe. Bei einem Buhurt tötet Volker einen hunnischen Ritter. Etzel greift jedoch ein, sodass die Situation nicht eskaliert. Kriemhild – hin- und hergerissen zwischen Rache an Hagen oder Rache an allen Burgunden – schafft es nicht Dietrich dazu zu überreden ihr zu helfen. Dafür willigt Etzels Bruder Blödel ein ihr Hagen gefesselt zu übergeben. Dafür solle er Nuodungs Witwe und dessen Mark erhalten.

32. Aventiure

Kriemhild nimmt ihren sechs Jahre alten Sohn Ortlieb mit in den Speisesaal, in dem auch die Burgunden essen. Blödel beginnt die Knappen der Burgunden anzugreifen und wird von Dankwart getötet. Auch Blödels Männer, sowie 9000 burgundische Knappen und 12 von Dankwarts Rittern kommen bei dem Kampf um. Blutüberströmt kommt er in den Speisesaal.

33. Aventiure

Als Hagen von dem Vorfall erfährt, schlägt er mit Balmung den Kopf Ortliebs ab, der in Kriemhilds Schoß landet. Daraufhin beginnt ein blutiges Gemetzel. Dietrich von Bern schütz Kriemhild und Etzel, die so den Saal verlassen können. Etzel beteiligt sich jedoch nicht am Kampf. Von draußen beobachtet er schließlich das Geschehen und zieht sich so den Spott der Nibelungen zu. Rüdiger von Bechelaren glaubt immer noch an seine Neutralität. Je nach Handschrift ist von 2000 bis 7000 getöteten Hunnen die Rede, die auf Anraten Giselhers aus dem Saal geworfen werden.

34. Aventiure

Angestachelt von Kriemhild tritt nun Iring von Dänemark auf, der zunächst erfolglos gegen Hagen kämpft, dann gegen Volker, Gunther, Gernot, dann Giselher, anschließend wieder gegen Hagen, der ihm eine tödliche Wunde zufügt und ihm dann noch einen Ger in den Kopf schleudert. Es folgen Haward und Irnfried mit ihren Männern, die alle sterben müssen. Mittlerweile fließt das Blut in Strömen.

35. Aventiure

Abermals greifen die Hunnen an, der Angriff wird jedoch wieder abgewehrt. Die Burgunden versuchen Etzel davon zu überzeugen, dass der Streit auch durch Zweikämpfe beigelegt werden könne, was dieser jedoch ablehnt. Als die Burgunden Kriemhilds Vorschlag Hagen auszuliefern empört ablehnen (die sogenannte Nibelungentreue), lässt sie den Saal anzünden. Mit dem Blut der eigenen Leute versuchen die Burgunden nicht nur das Feuer, sondern auch ihren durch die Hitze verursachten Durst zu löschen. Schulze (2005:825) fühlt sich an die Eucharistie erinnert, Ehrismann (2002:127) weist dies von sich und verweist auf einen alten Volksglauben, nachdem die Kraft des Gegners auf diese Weise auf den Trinkenden übergehe. Als das Feuer erlischt, sind noch 600 Burgunden am Leben.

36. Aventiure

Rüdiger von Bechelaren beobachtet das Morden mit Kriemhild und Etzel zusammen. Er bricht in Tränen aus. Ehrismann (2002:128) kommentiert:

Auch homerische Helden Weinen; Tränen in der Heldendichtung sind kein Zeichen der Weichheit [...], sondern der emotionalen Anteilnahme.

Ein Hunne, der sich über Rüdigers Tränen lustig macht, wird von ihm erschlagen. Da er Kriemhild versprochen hat, ihr zu helfen und er der Lehnsmann Etzels ist, kommt er in starke Bedrängnis, als beide seine Treue einfordern, denn durch die Heirat seiner Tochter mit Giselher, ist er auch den Burgunden verpflichtet. Diese Doppelbindung hat nicht zu unterschätzende Konsequenzen:

Wenn er seine Verpflichtungen gegenüber der einen oder anderen Seite verletzt, sieht er sein Seelenheil gefährdet, d.h. die rechtlichen Bindungen erhalten eine religiöse Dimension. Rüdiger entscheidet sich schließlich für die Treue zu seinem Lehnsherren und tritt gegen die Burgunden an (Schulze 2005:826)

Als sich Rüdiger in den Kampf stürzt, bittet Hagen ihn, ihm seinen Schild zu überlassen. Als dieser der Bitte entspricht, kämpfen Hagen und Volker nicht gegen ihn. Es kommt jedoch zum Kampf zwischen Gernot (der mit dem Schwert antritt, das ihm Rüdiger geschenkt hatte) und Rüdiger, in dem beide ums Leben kommen. Auch Rüdigers Gefolgsleute überleben den Angriff auf die Burgunden nicht.

37. Aventiure, 38. Aventiure und 39. Aventiure

Als Dietrich von Bern das Klagen um Rüdiger vernimmt, will er herausfinden, ob dieser tatsächlich tot ist und geht – ohne kämpferische Absicht – zusammen mit seinem Waffenmeister Hildebrand zu Hagen, der ihm Rüdigers Tod bestätigt. Als die Burgunden sich weigern Rüdegers Leiche herauszugeben, kommt es abermals zu einem Kampf in dem Volker von Hildebrand getötet wird. Auch Giselher muss sein Leben lassen. Hildebrand entkommt, seine Männer müssen jedoch sterben. Nur Gunther und Hagen bleiben in der Halle zurück. Gunther und Hagen versprechen Dietrich von Bern einzeln gegen ihn anzutreten. Nach einem schweren Kampf fesselt Dietrich Hagen und liefert ihn Kriemhild aus, bittet sie jedoch ihn am Leben zu lassen. Danach besiegt er auch Gunther und fesselt ihn ebenfalls. Beide werden – getrennt – eingekerkert. Kriemhild fordert von Hagen den Hort und Siegfried zurück – unmögliche Forderungen. Hagen entgegnet ihr, dass sie solange sein Herr am Leben sei nie erfahren würde wo er den Schatz versenkt habe. Daraufhin lässt Kriemhild Gunther enthaupten und präsentiert Hagen Gunthers Kopf und köpft anschließend Hagen eigenhändig mit Balmung. Etzel ist entsetzt über den unehrenhaften Tod des Helden (da er durch die Hand einer Frau sterben musste). Hildebrand schlägt Kriemhild in Stücke.

Literatur